Regie: Emerald Fennell
Genre: Drama, Krimi, Mystery
Erscheinungsjahr: 2021
Cassie (Carey Mulligan) war eine vielversprechende Medizinstudentin. Nach einem Vorfall, durch den sie ihre beste Freundin Nina verloren hat, hat die junge Frau ihr Studium abgebrochen. Seitdem lebt sie wieder bei ihren Eltern und arbeitet in einem Café. Ungefähr einmal die Woche geht Cassie allein aus und spielt ein riskantes Spiel. In den Bars täuscht sie vor betrunken zu sein und lässt sich von Männern mit nachhause nehmen. Diese Männer spielen sich als Retter in der Not auf, sind aber häufig nur an einer Sache interessiert. Sobald die selbsternannten Helfer anfangen Cassie anzufassen, lässt sie die betrunkene Fassade fallen und erteilt ihnen eine Lektion. Bei einer Schicht im Café, taucht dann aber ein ehemaliger Mitstudent auf. Ryan (Bo Burnham) hat sein Studium abgeschlossen und arbeitet nun als Kinderarzt. Er fragt Cassie nach einem Date und nach anfänglichem Zögern beginnen die beiden miteinander auszugehen. Langsam schafft sie es wieder Vertrauen aufzubauen. Währenddessen führt Cassie allerdings im Geheimen weiterhin ihren Rachefeldzug durch.
Der Film „Promising Young Woman“ von Regisseurin Emerald Fennell bewegt sich irgendwo zwischen Drama und Thriller, mit einigen humorvollen Elementen. Bei dem Film geht es um sexuelle Gewalt, insbesondere die Vergewaltigung junger Frauen, unter dem Einfluss von Alkohol und Drogen. So ist der Titel des Films eine Anspielung auf den Vergewaltigungsfall um den Stanford Studenten Brock Turner. Turner hat sein Opfer betäubt und dann vergewaltigt. Vor Gericht hat sein Vater die Tat kleingeredet, da er ein vielversprechender junger Mann („promising young man“) sei und seine ganze Zukunft doch nicht an einem kleinen Fehler gemessen werden sollte.
Die Aussage von Turners Vater fasst sehr gut zusammen, wovon „Promising Young Woman“ handelt. Sexuelle Gewalt wird in unserer Gesellschaft kleingeredet. Frauen wird eine mittschuld attestiert, wenn sie sich bestimmte Outfits anziehen, oder Alkohol trinken. Mit diesen falschen Ansichten möchte Cassie im Film aufräumen und zeigt den Menschen, die diese Ansichten vertreten, was sie für Heuchler*innen sind. Es kommt zu einem Moment, in dem Cassie sich in der Wohnung eines Mannes befindet und ihr betrunkenes Schauspiel beendet. Der Mann beginnt von einer Verbindung zu sprechen, die er zwischen den beiden fühlt, hat sich aber nicht mal die Mühe gemacht nach ihrem Namen zu fragen.
Das größte Ziel für Cassie ist es Rache für ihre Freundin Nina zu nehmen. Nina ist, wie der Film es andeutet, von einem Studenten vergewaltigt worden, vor Gericht wurde der Mann aber freigesprochen, niemand hat Nina geglaubt. Sie ist in eine tiefe Depression gestürzt und hat sich schließlich das Leben genommen. Der Film will uns zeigen, dass Nina kein Einzelfall ist und viele Täter immer noch, oder wieder auf freiem Fuß sind. Brock Turner hat eine Haftstrafe von 6 Monaten verbüßt und wurde wegen guter Führung frühzeitig entlassen. Fennell thematisiert, dass es im amerikanischen Rechtssystem häufig um Beziehungen geht. Wenn man viel Geld hat und sich einen guten Anwalt leisten kann, braucht man sich keine Sorgen machen. So zeigt der Film uns, dass nicht nur der Vergewaltiger ein Täter ist, sondern auch viele Menschen drum herum, seien es Anwälte, Freunde des Täters, oder Mitarbeiter*innen der Universität.
Neben Cassies Rachefeldzug erzählt der Film eine Liebesgeschichte. Cassie und Ryan beginnen sich langsam anzunähern. Ryan scheint endlich der eine gute Mann zu sein, der wirklich an Cassie und nicht nur an ihrem Körper interessiert ist. Durch ihre Vorgeschichte fällt es Cassie sehr schwer Vertrauen aufzubauen und muss es mit Ryan sehr langsam angehen lassen. Hier erzählt der Film eine sehr warme und herzliche Liebesgeschichte, die uns eine andere Seite von Cassie präsentiert. Vorher sehen wir eine zynische und wütende junge Frau, durch Ryan empfindet sie das erste Mal seit langem wieder Freude.
Man sieht dadurch, was Carey Mulligan für eine großartige Schauspielerin ist. Sie wechselt zwischen den Emotionen, vermittelt und Trauer, Wut, Freude und pure Frustration. Mit ihrem Spiel schafft sie eine lebensechte, menschliche Figur, die voller Fehler ist. Sie ist sich selbst bewusst, dass ihre Taten moralisch sehr fragwürdig sind, weiß sich aber nicht anders zu helfen. Mulligan ist die große Stärke des Films, was ihr auch eine Oscar-Nominierung als beste Hauptdarstellerin eingebracht hat.
Allgemein hat der Film aber eine sehr interessante Auswahl an Schauspieler*innen, besonders der männlichen Darsteller. Es wurden hier Schauspieler gewählt, die im ersten Moment wie nette Typen wirken, uns dann aber zeigen, dass sich hinter dieser netten Fassade ein mieser Kerl verbirgt. Da wäre zum einen Adam Brody, der eigentlich als Good-Guy aus „O.C., California“ bekannt ist. Aber auch andere Sympathieträger*innen wie Alison Brie oder Christopher Mintz-Plasse, werden in den Film eingebaut und dann dekonstruiert.
Neben diesen Randfiguren ist vor allem das Schauspiel zwischen Cassie und ihren Eltern (Jennifer Coolidge und Clancy Brown), aber auch zwischen der jungen Frau und Ryan bemerkenswert. Der Comedian Bo Burnham bringt sehr viel Herz und Witz in die Rolle, zeigt dann aber, dass er nicht nur ein eindimensionaler Charakter ist, sondern eine vielschichtige Figur, die immer mehr Fassetten offenbart.
„Promising Young Woman“ ist vielleicht einer der wichtigsten Filme des Jahres uns sollte von vielen Leuten gesehen werden. Der Film ist zwar stellenweise sehr unangenehm, wirkt aber noch viele Tage nach. Emerald Fennell ist ein Film gelungen, der uns zeigt, dass sexuelle Gewalt niemals kleingeredet werden sollte und Opfer schlimme Traumata durch solch furchtbare Taten erleiden. Obwohl dieses Thema sehr schwierig ist schafft es die Regisseurin trotzdem einen Film zu inszenieren, der eine gewisse Leichtfüßigkeit hat und es uns durch den Humor einfacher macht, die furchtbaren Taten zu aufzunehmen. Dabei bleibt der Film sehr unerwartet und hat einige Momente, die man so nicht kommen sieht. Ohne hier zu viel verraten zu wollen, war besonders das Finale bemerkenswert unangenehm und hatte eine frustrierend entlarvende Botschaft.
„Promising Young Women“ ist für mich einer der besten Filme, die ich dieses Jahr, wahrscheinlich sogar in den letzten zehn Jahren, gesehen habe. Der Film hat zwar eine sehr schwierige Thematik, schafft es aber diese Themen in verdaulichen Häppchen zu präsentieren. In meinen Augen ist dieser Film eine absolute Meisterleistung und sollte wirklich von allen gesehen werden.
[Bild- und Videorechte liegen bei Universal Pictures]
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